24.01.2024
MITEINANDER

Das Gefühl, bedingungslos dazuzugehören

Benedikt Janssen über Sommerlager mit den Pfadfindern, einen geheimnisvollen Glauben und eine Entscheidung, die reifen musste

von Tobias Schulte

Was viele bei 7 vs. Wild auf YouTube sehen, hat Benedikt Janssen schon erlebt. Zumindest so ähnlich. Im vergangenen Sommer ist er mit seinem Detmolder Stamm der Deutschen Pfadfinderschaft St. Georg (DPSG) in Schweden unterwegs. Drei Wochen Sommerlager in der Region Småland. Sie zelten, angeln, schwimmen im See, spielen Fußball, fahren Kanu. 

Und sie starten zwei Aktionen, die an 7 vs. Wild erinnern. Sie lassen sich auf einer einsamen Insel auf dem See absetzen, sind über drei Tage auf der Insel unterwegs, übernachten in der freien Natur und bauen ein Floß, um zurück ans Festland zu kommen. Da das Floß zwar schwimmt, aber bei mehreren Personen an Board untergeht, bietet es nur Platz für das Gepäck der Pfadfinder. Sie selbst schwimmen zurück an Land.

Benedikt gibt zu, dass vieles davon „echt klischeehaft“ klinge. Aber es sind genau diese Szenen, die ihm ein besonderes Gefühl geben.

Benedikt Janssen ist 24 Jahre alt. Er kommt aus Detmold und lebt und studiert in Paderborn. Er hat den Bachelor in Maschinenbau schon abgeschlossen und hat gerade mit einem zweiten Bachelor in Materialwissenschaften angefangen. Ob er auch den zweiten Bachelor abschließen wird? Weiß er noch nicht. Auf jeden Fall will er den Master in Maschinenbau machen. Dann kann er sich vorstellen, an der Uni zu bleiben. Zu lehren und zu forschen.

Benedikt gibt zu, dass vieles davon „echt klischeehaft“ klinge. Aber es sind genau diese Szenen, die ihm ein besonderes Gefühl geben. 

Benedikt sagt: „Wenn ich im Sommerlager bin, dann lebe ich in einer eigenen Zeitrechnung. Schon ab Tag zwei vergesse ich, welcher Wochentag ist.“ Und: „Bei den Pfadfindern erlebe ich eine bedingungslose Gemeinschaft. Jeder gehört bedingungslos dazu.“

„Gemeinschaft, die mich voll und ganz annimmt“

Dieses Gefühl, bedingungslos dazuzugehören, ist für ihn auch eine Gotteserfahrung. Benedikt erklärt: „Jesus sagt jedem von uns: Du bist ein toller Mensch. Ich hab dich lieb. Egal, was du tust, egal für was du dich entscheidest. Und genau das erlebe ich bei den Pfadfindern: Eine Gemeinschaft, die mich voll und ganz annimmt und unterstützt.“ 

Da Benedikt Jesus schon erwähnt – wie ist seine Beziehung zu ihm?

Eine Frage, für die Benedikt ausholen muss. Er sagt: „Ich will ja Wissenschaftler werden. Deshalb weiß ich, wie viel man rational erklären kann. Es gibt aber auch Dinge, die man nicht ergründen kann. Was war vor dem Urknall? Mit so grundsätzlichen Fragen beschäftige ich mich gern und stelle fest: Ich finde eh keine Antwort. Es ist okay, dass es etwas Geheimnisvolles ist. Und trotzdem kann ich mich auf irgendetwas verlassen. Es gibt diese Zusage Gottes, dass ich geliebt bin“.

Pfadinder, Klarinette, American Football

Benedikt ist Pfadfinder, seit er denken kann. Seine Eltern haben den DPSG-Stamm in Detmold mitgegründet. Dort hat er alle fünf Stufen durchlaufen, vom Wölfling bis zum Leiter. Aber er ist natürlich nicht nur Pfadfinder.

Er liebt auch Musik und American Football. Benedikt hat Klarinette und Saxophon gelernt und sich Gitarre noch selbst beigebracht. Er spielt American Football bei den Paderborner Unicorns, der Uni-Mannschaft. Seit einem Anfänger-Kurs im Football ist er in der Mannschaft hängengeblieben.

Als Quarterback liebt er es, wie taktisch und zugleich körperlich der Sport ist. Er sagt: „Es wäre gelogen, wenn ich sage, dass es keinen Spaß macht, jemanden umzuhauen. Und das Coole ist: Für fast alle Körpertypen hat Football einen Job. Früher habe ich Handball gespielt, für den Sport müssen alle eher lang und schlacksig sein.“

Die Leidenschaft für American Football teilt er auch mit Thorsten Hasse, dem Diözesankurat der Pfadfinder. Am Sonntagabend gucken die beiden die Spiele der NFL zusammen.

„Wenn man so viel zusammen erlebt …“

Apropos Pfadfinder und Freunde. Im DPSG-Stamm in Detmold hat Benedikt seinen engsten Freundeskreis gefunden. Als er der Erste war, der zum Studium nach Paderborn gezogen ist, sind fast alle später nachgekommen. „Wir haben es alle nicht weit voneinander weggeschafft“, scherzt Benedikt. Er erzählt, dass er mit einem Teil des Freundeskreises in einer WG zusammenwohnt. Die anderen Freunde wohnen alle nur wenige Straßen von der WG entfernt.

Dann sagt er: „Wenn man so viele Gruppenstunden, Ausflüge und Abenteuer zusammen erlebt …“ und beendet den Satz gar nicht. Stattdessen erzählt er, wie sie gemeinsam bei Pfingstzeltlagern im DPSG-Bundeszentrum Westernohe und Wanderungen an der Großen Weinstraße in Rheinland-Pfalz unterwegs waren. Geschichten, die jeweils für einen eigenen Text geeignet wären.

Benedikt Janssen im Bürogebäude des DPSG-Diözesanverbands.

„Als Diözesanvorstand lerne ich unglaublich viel“

Die Pfadfinder sind für Benedikt wie ein Zuhause. Sie sind gute Freunde, die zusammen anpacken und glauben. Doch was Benedikt lange nicht für möglich gehalten hätte: dass er mal auf Bistumsebene das Sagen hat. Benedikt ist im April 2022 in den Vorstand des Diözesanverbands der DPSG im Erzbistum Paderborn gewählt worden. 

Der dreiköpfige Vorstand vertritt 7.000 Pfadfinderinnen und Pfadfinder aus 80 Ortsgruppen. Hat die Personalverantwortung für alle bei der DPSG Paderborn angestellten Personen. Verantwortet den Umbau des DPSG-Diözesanzentrums in Rüthen.

Eine Verantwortung, die Benedikt spürt, wenn er Rechnungen freigibt. Zum Beispiel für die Baustelle des Diözesanzentrums in Rüthen: „Wenn man sieht, wie viel Geld in dem Projekt steckt, dann denkt man auch: Huiuiui.“

Eine Verantwortung, die Benedikt herausfordert. Und wachsen lässt. Er sagt: „Wer hat mit 24 Jahren schon Personalverantwortung oder kann an Fortbildungen wie Fokus Führung teilnehmen? Das wird mich später bestimmt auch beruflich weiterbringen.“

No way

Der Gedanke, Vorstand zu werden, wurde für Benedikt ein halbes Jahr vor der Wahl zum ersten Mal präsent. Zu dem Zeitpunkt war klar, dass Patrick Höckelmann sich nicht mehr als Vorstand zur Wahl stellt. Benedikt ist mit einer Gruppe auf dem Weihnachtsmarkt in Paderborn. Da wird er ins Rennen geschickt, mit dem Spruch: „Du bist doch Student, du hast doch Zeit.“

Benedikt blockt ab: „No way“. 

Doch als die Möglichkeit im Raum ist, beschäftigt sie Benedikt schon. Er stellt Listen mit Pro- und Contra-Argumenten auf. Spricht stundenlang mit dem bisherigen Vorstand, seiner Familie und Freunden darüber.

„Das war die schwerste Entscheidung in meinem Leben“, sagt Benedikt. Und: „Am Ende war es dann doch eine Bauchentscheidung“. 

Was hat ihn überzeugt?

Die Geschichte einer Bauchentscheidung

Benedikt erzählt, wie er kurz vor der Entscheidung eine fünfte und siebte Klasse im DPSG-Bundeszentrum in Westernohe begleitet hat. Jeweils für drei Tage. „Das war zuerst sehr schwierig“, sagt Benedikt. Die Schülerinnen und Schüler hätten voll das Stereotyp einer Brennpunktschule erfüllt: „Die Kinder hatten Angst vor dem Wald und kannten Tannenzapfen nur als Plastik-Deko zu Weihnachten“. 

Doch er sagt: „Am Ende war es für mich eine unfassbar erfüllende Sache, weil sich die Mädchen und Jungen geöffnet haben und ich ihnen viel vermitteln konnte“.

Benedikt nennt es „eine glückliche Fügung“, dass diese Kurse kurz vor der Deadline für die Bewerbung zum Vorstand waren: „Ich bin aus Westernohe zurückgefahren und wusste: Jetzt mache ich das. Ich möchte noch mehr Kindern und Jugendlichen ermöglichen, was ich selbst in der DPSG erfahren durfte.“

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