Und die Menschen sitzen überall...
20.02.2016

Und die Menschen sitzen überall...

Hunderte kommen zur "Nacht der Lichter"

Von Marie Eickhoff

Einmal im Jahr füllen hunderte junge Menschen und tausende Kerzen den Hohen Dom zu Paderborn. So war es wieder am Freitag, bei der 14. Nacht der Lichter. Sie begann im Dunklen.

Zornig schiebt sie die Frau mit der Kamera an die Seite. „Immer dieses Geknipse in der Kirche“, muss sie sich wohl denken. Aus ihren Augen spricht Unverständnis. Denn die Fotografin vor ihr versperrt der rüstigen Dame den Blick auf das Licht. Das einzige Licht, das zu Beginn dieses Abends im Paderborner Dom an ist.

Taizé wieder spüren


Ganz vorne am Altar ist es hell. Marvin Schuck hat dort gerade die ersten Kerzen angezündet. Kleine Lichter, die tausende Blicke anziehen. Während der 20-Jährige ein Licht nach dem anderen entfacht, sammeln sich vor den Altarstufen Zuschauer. Mit Smartphone und Kamera versuchen sie, das Licht einzufangen. Marvin Schuck ist Student. Er studiert soziale Arbeit und hilft zum zweiten Mal bei der Nacht der Lichter. Hier kann er das Gefühl von Taizé wieder spüren, sagt er. Orangene Tücher sind am HoMarvin Schuck aus Reckenberg zündet die Kerzen am Altar an.chaltar aufgespannt, wie Flammen ragen sie nach oben. Und aus Ziegelsteinen hat das Helferteam eine Mauer gebaut. Dorina Fichte stellt Teelichter in die Lücken zwischen den Steinen. Sofort sind die dunklen Löcher verschwunden. Für die 27-Jährige machen hier aber nicht allein die Kerzen die besondere Stimmung aus. „Sie entsteht durch die Menschen, die hierher kommen“, erklärt sie. „Weil sie sich selbst näher kommen möchten.“ Das ist für sie ein bisschen wie Weihnachten im Februar.

Die Nacht der Lichter findet seit 14 Jahren immer in der Fastenzeit statt. Organisiert von der Abteilung für Jugendpastoral und Jugendarbeit und dem Diözesanverband der Kolpingjugend in Paderborn. „Der Abend ist absichtslos“, erklärt Diözesanjugendpfarrer Stephan Schröder. Bei der Nacht der Lichter sei die Liturgie sehr schlicht. „Es gibt quasi kaum Aktion.“ Hauptsächlich füllt Musik den Abend. „Sie breitet sich in der Kirche wie ein Teppich aus.“ So sollen sich die Besucher von Gottes Liebe berühren lassen. Das wünscht sich Schröder.

Gefühle singend weitersagen


Katrin Schäfer singt im Projektchor. Dieser ist aus fünf Chören zusammengesetzt.Katrin Schäfer hatte eine stressige Woche. Die 17-Jährige ist Krankenschwester, bei der Nacht der Lichter sammelt sie Kraft. Sie singt im Projektchor und steht deshalb hinten in der Kirche. Das Singen macht sie ruhig. „Ich versuche dabei zu sagen, was ich glaube.“ Damit möchte sie die tausenden Besucher erreichen. „Das sind alles Gefühle: Begeisterung, Zufriedenheit, Glück. Ich hoffe, dass die Leute das mitfühlen können.“ 16 Lautsprecher verteilen ihre Botschaft im Paderborner Dom. Die Techniker haben 24 Mikrofone aufgestellt und am Mischpult die Regler im Blick, damit sich die Musik gleichmäßig im Dom verteilt. Den Nachhall ausgleichen – das ist die größte Schwierigkeit. Denn es soll sich auf jedem Platz klar anhören.

Und die Menschen sitzen überall. Auf dem Boden, auf Treppenstufen, manche haben sich an einer Kirchensäule oder ihrem Partner angelehnt. Viele haben Decken mit und es sich kuschelig gemacht im Paderborner Dom. Sie singen, träumen und genießen Stille und Musik. Auch bei Jens Hellmeier ist es heute ruhig. Er ist vom Malteser Rettungsdienst. Die Nacht der Lichter ist ein Insidertipp unter den Helfern. Obwohl der 23-Jährige zwischendurch den Funk der Rettungsleitstelle hört, ist der Abend für ihn meditativ. Während die Kirchenbesucher singen, gehen ihm einige schwere Einsätze der vergangenen Monate durch den Kopf.

Mehr als 1000 junge Menschen sind zur 14. Nacht der Lichter gekommen.

Hier lenkt nichts ab. Selbst die Geistlichen wie zum Beispiel Weihbischof Matthias König sitzen in den Kirchenbänken. Es ist wie in Taizé: schlicht und eindrucksvoll. Und die biblischen Texte werden aus der Bank vorgelesen, in fünf Sprachen. Deutsch, französisch, polnisch, arabisch und aramäisch. Denn eingeladen sind alle Kulturen und Religionen.

Die Dame, die zu Beginn des Abends noch so garstig wirkte, lächelt jetzt. Sie sitzt auf der Kante der Kirchenbank, in der faltigen Hand hält sie eine Kerze. Das Licht beleuchtet ihr Gesicht und eine Strickjacke wärmt ihren Körper. Dass die Fotografin wieder neben ihr steht, merkt sie nicht. In ihren Augen blitzt jetzt Freude.


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