Blut in unseren Handys
11.11.2014

Blut in unseren Handys

missio und KjG fordern saubere Handys

Viele Rohstoffe in unseren Handys kommen aus dem Osten Kongos. Wenn westliche Handykonzerne diese Minerale kaufen, finanzieren sie den dortigen Bürgerkrieg mit. Jetzt versuchen immer mehr Initiativen, wie im Erzbistum Paderborn das Hilfswerk missio und die Katholische junge Gemeinde (KjG), Bewusstsein bei den Konsumenten zu schaffen.

Am Anfang der Kette steht Blut und Krieg. Seit 15 Jahren herrscht in Kongo Bürgerkrieg, fünf Millionen Tote, 300.000 vergewaltigte Frauen gehören zu den Opfern. Am Ende der Kette stehen wir. Mit dem Handy in der Hand. Klingeltöne, Fotos, Smileys, WhatsApp, SMS und Telefonieren.

Dass unsere Handys und der Bürgerkrieg in direkten Kontakt miteinander stehen, möchte man im ersten Moment nicht glauben. Unsere Mobiltelefone beinhalten Rohstoffe aus dem Kongo. Um die Schaltkreise in unseren Telefonen zum Laufen zu bringen, eignet sich wegen seiner hohen elektrischen Kapazität Coltan. Davon gibt es jede Menge in kongolesischen Minen. Viele der Minen sind im Besitz ostkongolesischer Rebellen, die mit den Einnahmen Waffen kaufen und ihre Region unterdrücken, Bürger morden und entführen. Eine Infrastruktur fehlt in Ostkongo, ebenso wie staatliche Kontrolle.

„Blood in the mobile“

Die Verbindung zwischen den sogenannten Konfliktmineralien und unseren Handys zeigt der dänische Dokumentarfilm „Blood in the mobile“ des Regisseurs Frank Piasecki Poulsen aus dem Jahr 2010. Als sich der Filmemacher bei den Handy-Hersteller Nokia auf einer Messe über deren Rohstoffquellen informieren möchte, blocken sie ab. Also fliegt er nach Kongo und sucht die Herkunft des Coltan auf.

Er findet ein bitterarmes Land vor. Auf der Suche nach den Minen wird ihm immer wieder davon abgeraten, weiter vorzudringen. Ein Kongolese erzählt von einer furchtbar grausamen Vergewaltigung einer Frau. Schließlich verschafft sich Poulsen doch Zugang zu einer Mine in Bisie im Osten Kongos und erblickt viele minderjährige Kongolesen, die dichtgedrängt, in dem dunklen, engen Trakt mit ihren Werkzeugen auf die Wand einhämmern.

Die Studentin Marleen Averhage setzte sich mit dem Handykonsum auseinander.

Als die Studentin Marleen Averhage aus Hemer, 22, den Film „Blood in the mobile“ sah, musste sie erst einmal schlucken. Sie machte zu der Zeit ein praktikum beim Diözesanverband der Katholischen jungen Gemeinde (KjG) in Paderborn und war in eine Projektarbeit über Handys und Nachhaltigkeit involviert. „Ich war schockiert“, sagt sie. „Ich finde das Schlimmste ist, dass man sich normalerweise keine Gedanken über die Herkunft der Materialien im eigenen Handy macht. Ich habe darüber vorher auch nicht nachgedacht.“

Um mehr Leute zum Nachdenken über den Zusammenhang zwischen Krieg und unseren Handys anzuregen, verfassten Marleen und andere KjGler nicht nur ein sehr umfangreiches ePaper zum Thema Handys und Nachhaltigkeit, sie initiierten zudem gemeinsam eine Sammelaktion: Sie wollten möglichst viele alte Handys zusammentragen. Die darin enthaltenen Mineralien lassen sich recyceln. Damit können neue Handys gebaut werden, ohne dass junge Kongolesen in Minen steigen müssen. Darüber hinaus generieren die KjGler mit dem Verkauf der Restmaterialen der Handys Geld, das in ein wohltätiges Projekt fließt.

Längere Akkulaufzeiten helfen

Die Aktion läuft seit dem 17. September 2014. „Bisher kamen über 200 Handys zusammen“ sagt Andreas Brockmann, Referent des Kjg-Diözesanverbandes. Um noch mehr Mobiltelefone anzusammeln, wurde die Aktion bis zum Dreikönigsfest am 6. Januar 2015 verlängert.

Auch der Film „Blood in the mobile“ hat etwas bewirkt. Im August 2010 wurde vom US-Kongress ein Gesetz verabschiedet, das die Elektronikindustrie dazu verpflichtet, die Quellen der Rohstoffe der in den USA verkauften Produkten offenzulegen (Dodd-Frank Act). In der EU gibt es noch kein äquivalentes Gesetz. Und nach wie vor gibt es weder in den USA noch in der EU ein Gesetz, das die Verwendung der Konfliktmineralien verbietet.

saubere-handysEs bleibt also auch an uns Konsumenten hängen, etwas zu tun. Nicht nur Handys stehen mit Kriegen in Verbindung. Das gilt auch für Laptops oder Spielekonsolen. „Es bringt schon etwas, wenn jeder sein Handy länger verwendet und nicht bei jeder Neuerscheinung gleich ein Neues kauft“, empfiehlt Marleen Averhage – um Rohstoffe zu schonen. Insbesondere sollte man nicht solche Handy-Verträge eingehen, bei denen man jedes halbe Jahr kostenlos ein neues Handy erhält. Das erhöht die Handyproduktion und somit auch die Minenarbeit. Des weiteren lohnt es sich, auf eine lange Akkulaufzeit zu achten, damit das Handy länger erhalten bleibt.

Am Wichtigsten ist allerdings, dass sowohl Handy-Hersteller als auch Lieferanten, Regierungen und Handynutzer den Rebellen im Kongo klarmachen, dass blutige Mineralien keiner haben will. Das katholische Hilfswerk misso setzt sich in einer Unterschriftenaktion dafür ein. „Wir haben die Aktion nochmal verlängert“, sagt Magdalena Birkle, missio-Referentin in Paderborn. Zusätzlich fährt ein missio-Truck durch ganz Deutschland, an dem man den Weg eines Flüchtlings aus dem Ostkongo nachvollziehen kann.

missio setzt sich konkret für drei Forderungen ein: Zum ersten müssen Lieferanten nachweisen, dass Milizen von ihrem Handel nicht profitieren. Zweitens wollen sie mit gezielten Verträgen gewaltfreie Handelsstrukturen fördern. Drittens sollen sich Handy-Hersteller an runden Tischen mit Händlern, Kleinschürfern und Regierungsstellen beteiligen, um Transparenz-Initiativen zu erarbeiten. „Das ist ein schwieriges Unterfangen“, sagt Birkle. „Man muss auf verschiedenen Ebenen arbeiten und es ist natürlich noch ein langer Weg.“

Die Online-Petition von missio "Kongo, Krieg und Handys" kann hier unterzeichnen.

Werbespot zur "Aktion Saubere Handys"

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